Interview für's Legacy mit Björn Thorsten Jaschinski, ungekürztes Original vom März 2004 ►back
1.) Entweder ich bin einfach unfähig, oder aber es scheint im Bandlager eine
ausgesprochene Internet-Phobie zu herrschen – dabei gibt es in diesem Medium
gerade über die Wechselverhältnisse der Begriffe und Namen Golem/Hilbert/
Dreamweaver erstaunlichste und vielfältigste Wechselbeziehungen (doch dazu
später mehr). Trotz intensiven Suchens habe ich weder eine Band- noch einen
Soundforge Studiohomepage erspähen können, dabei war es gerade um Golem seit
„The 2nd Moon“ dermaßen still geworden, daß man von einem komatösen Zustand
ausgehen konnte. Als vor vielen Monaten erstmals ein drittes Album angekündigt
wurde, war man sich plötzlich der vergangenen Zeit bewußt und mußte sich
ernsthaft fragen, wie es jahrelang um die Band bestellt war – neue Songs z.B.
waren ja durchaus schon während des Ablaze Interviews in der Mache – doch ist
aus dem Material mit beträchtlicher Reifung schließlich „Dreamweaver“ geworden,
oder habt ihr anfallende Kompositionen mehrfach gesiebt und völlig verändert, so
daß von früheren Planungen kaum etwas übrig geblieben ist? Gibt es im eigenen
Studio angefertigte Vorproduktionen oder aufwendige Demo-Reihen zu den sehr
komplexen neuen Songs? Agiert ihr mit Noten oder selbst erstellten Tabulaturen?
Die Web-Präsenz der Band sollte sich wirklich verbessern, zumal uns die
Italiener da einiges voraus haben. Mal schauen, ob sich dieser doch etwas
unglückliche Zustand in Kürze ändern lässt.
Ansonsten kann man neben unserer allgemeinen Gelassenheit gegenüber der Hektik
im Musikgeschäft hauptsächlich zwei Gründe dafür anführen, dass in der
Zwischenzeit so wenig neues von uns in die Öffentlichkeit drang.
Zum einen hatte sich die Trennungsphase von unserem langjährigen Schlagzeuger
Micha ziemlich in die Länge gezogen. Damit verbanden sich dann vor allem die
Unfähigkeit, live zu spielen und in zügiger Zeit das neue Material
vorzubereiten. Es wäre sicher besser gewesen, dieser abzusehenden Entwicklung
schneller und zu einem früheren Zeitpunkt ins Auge zu blicken. Aber wir mochten
sein Spiel einfach zu sehr, als dass wir leichtherzig die Hoffnung aufgegeben
hätten.
Zum anderen entwickelte sich auch die Beziehung zu unserem damaligen Label Ars
Metalli in die völlig falsche Richtung. Damit fehlte uns von dieser Seite
einiges an der erhofften Unterstützung, was mit der Bewerbung des Albums anfing
und sich in weiteren Dingen fortsetzte. Viel zu lange sind wir dort auf
Versprechen zur Besserung hereingefallen, was dann auch in einer erheblichen
Frustration endete. Die Situation war uns ja nicht ganz unbekannt, hatten wir
doch schon mit dem Vorgänger Invasion unsere Erfahrungen gemacht.
Wir standen also vor zwei mehr oder weniger großen Problemen. Wir mussten einen
geeigneten Drummer finden, was für eine Band mit unserem eher kleinen Status und
doch recht hohem technischen Anspruch schon mal nicht so einfach war. Als wir
uns dann mit Eric einließen, dauerte es eben auch seine Zeit, ihn in das
Golem-Universum zu entführen. Das Label-Problem löste sich dann recht entspannt
mit dem Kontakt zu Grind Syndicate.
Nach unserer obligatorischen Schreibpause nach Fertigstellung von “The 2nd Moon“
hatten wir bereits 2001 einen Großteil des Materials als Previews auf dem PC
vorliegen. Das war dann der Zeitpunkt, wo wir begannen, das Ganze mit Eric
einzuproben und mit kleineren Veränderungen seinem Stil Rechnung zu tragen.
Vorrangig arbeiten wir beim Komponieren also mit modernen Mitteln, fast
ausschließlich zu Hause. Grundsätzlich entstehen schon dort die komplexen
Strukturen mit all dem Beiwerk, die wir dann untereinander austauschen. Unsere
Proben dienen dann dazu, eben diese als 4-Mann-Besetzung entsprechend umsetzbar
zu gestalten. Somit gab es schon sehr früh vorzeigbare Demos, die auch für uns
selbst ein gutes Mittel waren, unsere musikalische Entwicklung mit dem
entsprechenden Augenmaß abzuschätzen.
2.) Deine Auslastung als Produzent – über diese Tätigkeit blieb dein Name
wenigstens konstant im gespräch – legt nahe, daß Golem nunmehr den Staus eines
Projekts haben, und das, obwohl doch eigentlich in der Vierer Besetzung mit dem
Sinners Bleed Drummer sowie Rainer (b) und Carsten viel Wert auf ein
spielfähiges Line-Up gelegt wurde. Ist diese Besetzung überhaupt noch aktiv?
Aufgrund jeglicher fehlender Informationen (sei es aus dem Netz oder halbwegs
aktuellen Interviews) scheint mir selbst das nicht gewiß – wie so vieles an
„Dreamweaver“ mysteriös bleibt. Jedenfalls habe ich feststellen dürfen, daß ich
noch nicht für die Nuclear Blast Medienseite akreditiert bin. Welche Ziele
werden mit Golem nunmehr verfolgt, welche Ansprüche stellt ihr an euer Schaffen,
wo liegen stilistische/organisatorische Grenzen?
Weiterhin verstehen wir uns als echte Band. Wir sind bemüht, unser Schaffen auch
live zu präsentieren. Dies bedarf zwar auch immer einiges organisatorischen
Aufwands, da beispielsweise Carsten zur Zeit in Dresden lebt und meine
Mitmusiker durch ihre eigenen Bands nicht unerheblich belastet sind. Bisher
klappt das alles jedoch ziemlich gut und wir sind zuversichtlich, dass sich das
in Zukunft noch verbessern wird. Der Gedanke, Golem als Projekt aufzufassen,
spukte zwar für einige Zeit in unseren Köpfen, war jedoch eher aus bestimmten
Frustrationen über das Business geboren. Wir lieben es, live zu spielen und
denken, dass die bisherigen Konzerte gezeigt haben, dass man diesbezüglich auf
jeden Fall mit uns zu rechnen hat.
3.) Nach der Entwicklung von Ars Metalli war zumindest der Labelwechsel zu
erwarten. Hättet ihr auch bei Nuclear Blast selbst unterschrieben? Grundsätzlich
seit ihr immerhin zu euren Vertrags.Wurzeln zurückgekehrt, da die Single auch
auf einem Sublabel der Donzdorfer im weitesten Sinne erschienen ist. Welches
sind eure Kriterien bei der Auswahl gewesen, wie hat der ehemalige
Tape-Vertreiber euch für sein kleines, im Laufe der Jahre für viele
mittelständische deutsche Bands (Disbelief, Dew-Scented) als Sprungbrett
agierendes Unternehmen begeistern können? Zumindest der Name ist eine feine
Referenz und ein Fingerzeig auf eure musikalischen Wurzeln – wie präsent ist
eine Vision von Grindcore heute noch in der Musik von Golem? Obwohl einige der
alten Bands sich enorm in alle möglichen Richtungen geöffnet haben, ist
schließlich nicht davon auszugehen, daß die gesamte „alte“ Grind Szene bei
entsprechenden musikalischen/technischen Möglichkeiten eine ähnliche Entwicklung
begrüßt und durchgemacht hätte.
Über Volkmar Weber von den Apokalyptischen Reitern kamen wir in Kontakt mit Andy
Siry von Grind Syndicate. Wir sahen natürlich unsere Chance auf eine breitere
Öffentlichkeit und uns mit der NB-Veröffentlichung durchaus in unserem Gespür
bestätigt. Wir hätten sicherlich auch bei NB unterschrieben, jedoch war es
damals für uns einfach noch nicht abzusehen, welche Möglichkeiten uns das neue
Album eröffnen würde. Nach einem ausgiebigen Gespräch mit Andy waren wir auf
jeden Fall überzeugt, mit ihm genau den Richtigen für unser Anliegen gefunden zu
haben, zumal wir Golem beiderseits mit sehr gesundem Realismus gegenüberstehen.
Mit Gedanken über musikalische Kategorien wie Grindcore hatte das allerdings
wenig zu tun. Wir geben nicht viel auf stilistische Abgrenzungen und würden uns
deshalb auch nicht gegenüber einer speziellen Szene verpflichtet fühlen. In
dieser Beziehung bauen wir mehr auf die Freundschaften zu den anderen Musikern
als auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten musikalischen Ausrichtung. Die
grundsätzliche Zielsetzung unserer Stücke hat sich ja nicht wirklich geändert.
Nur ist eben ihr Ausdruck wohl ein wenig vielschichtiger, vor allem bewusster
als noch vor 10 Jahren und sicherlich immer noch Verwirklichungsversuch einer
Vision, die seit jeher Antrieb unseres Schaffens ist. Allzu einengende Namen
sollte man diesen doch eher persönlich geprägten Motiven jedoch nicht verpassen.
4.) Bereits der Titel des Openers stellt vor neue Rätsel und konnte von mir
nicht näher bestimmt werden – handelt es sich bei „Dreamweaver“ um ein weiteres
Konzeptalbum, inspiriert von Literatur, ist es gar eine Weiterführung des „Dune“
Themas, oder habt ihr euch völliger Fiktion gegenüber geöffnet? Auffällig ist
die sehr oft kurze und bündige Titzelwahl, zumeist nur aus einem griffigen Wort
bestehend.
„Dreamweaver“ ist nur sehr bedingt ein Konzeptalbum. Die Idee spukte schon
länger in mir, Teile meiner manchmal recht bizarren Traumwelt in textlicher Form
in unsere Musik hineinzuweben, daher auch der Album-Titel. Bei einer Reihe von
Texten habe ich daher versucht, gewisse Stimmungen intensiv erlebter Träume
einzufangen und für den geneigten Zuhörer erfahrbar zu machen. Neben diversen
künstlerischen Modifikationen dieses Themas gab es aber auch andere
Inspirationsquellen. Teilweise literarischen Ursprungs, sind sie aber mit der
„Werktreue“ von „The 2nd Moon“ keineswegs vergleichbar. Auch wenn ich persönlich
einigen Wert auf die Macht unserer Worte lege, steht bei uns weiterhin die Musik
absolut im Vordergrund. Die Texte sind eher schmückendes Beiwerk und sollten
auch als solches betrachtet werden, Interpretationsfreiheit ist hier das
Stichwort. Wir haben jedenfalls auch weiterhin nicht die Absicht in unsere Musik
gezielte Botschaften zu transportieren.
5.) Erneut schleißt das eigentliche Album ein aus dem Rahmen fallendes
Instrumental, zugleich das Titelstück, ab. Handelt es sich wiederum um eine
Komposition von Carsten (leider fehlen der Promo jegliche Credits)? Was mich
immer wieder beim Hören erstaunt ist die eigentliche Kürze der Songs, die nur in
wenigen Fällen die 5 Minuten Grenze deutlich überschreiten. Dennoch strotzt
jeder Song vor unzähligen Stil- und Stimmungswechseln, eigentlich nur
zusammengehalten von einer bestimmten Sound-Basis und dem im Vergleich zur
instrumentellen Darbietung einfach zu kategorisierendem Gesang. Wie wichtig ist
das Festhalten an diesen seit jeher charakteristischen Klangmerkmalen, wie
bedeutend ist überhaupt ein Metal Background für eure Kompositionsweise?
Die Idee zum „Dreamweaver“-Stück stammt ursprünglich von mir. Es war aber von
vornherein klar, das es sich hervorragend als Spielwiese für die
Solo-Experimente von Carsten eignet. So ist es dann auch geschehen und das
wiederum auf seine spezielle, sehr hinreißende Art. Etwas anderes hatten wir ja
auch nicht erwartet und somit ist es dann zu diesem, vielleicht ein wenig durch
seine Anmut verstörendem Ausklang des Albums gekommen.
Offen gestanden ist es sehr schwierig für mich, eine konkrete Antwort auf den
zweiten Teil deiner Frage finden. Es ist eine Frage, die für uns in dieser Weise
nie relevante Auswirkungen auf musikalische Entscheidungen hatte und wohl auch
nicht haben wird. Sicherlich verstärken sich bestimmte kompositorische
Herangehensweisen durch der Tatsache, dass man sie für so lange Zeit, in einem
bestimmten stilistischen Rahmen, mit bestimmten Mitteln einsetzt. Damit bilden
sich dann auch Selbstverständlichkeiten heraus, deren Vorhandensein wir nicht
leugnen können. Sie als unumstößliche Tatsachen zu betrachten, würde aber keinem
von uns einfallen. Eine gewisse Tendenz zu Komplexität in der Tiefe und
Einfachheit in der Breite ist aber wohl eines unserer charakteristischsten
Merkmale. Dessen sind wir uns durchaus bewusst und sehen eben dort unsere
Stärke. Zudem liegen unsere Wurzeln eindeutig im Metal und auch unsere
unbestreitbare Vorliebe für die Intensität dieser Musik führt zur angesprochenen
Ausprägung unserer Kompositionen. Das ist aber eben nicht unsere eigentliche
Motivation zum Schreiben von Songs. Die strukturelle Entwicklung innerhalb der
Musik bleibt für uns stets wichtiger als die Wahl der Ausdrucksmittel.
6.) Warum auch immer ‚Le Sacre Du Printemps‘, die Stravinsky „Coverversion“ als
versteckter Bonus Track gehandhabt wird – die Ausführung und Auswahl dieses
Stücks im Hinblick auf seine ganz besondere Entstehungs- und
Rezeptionsgeschichte verrät viel über die Vision über und hinter Golem. Galt
„The 2nd Moon“ zu recht als das bisher melodischste Werk, so sind zwar auch auf
dem neuen Album einige vordergründige, geradezu berührend schöne melodische
Momente zu vernehmen (gerade auch in der Mitte von ‚Faces“), aber eigentlich
zeigt das Album einen anderen Blickwinkel auf. ‚Le Sacre...‘ galt bei seiner
Erstaufführung 1913 in Paris als ein hochskandalöses Stück, welches das Publikum
in Rage brachte und schließlich zu einem Handgemenge führte, in das auch Musiker
verwickelt waren. Nunmehr zählt das oftmals des Balletts enthobene Werk zu den
Repertoirestücken und gilt nicht wenigen als „Jahrhundertwerk der neuen Musik“.
Der ersten Bernstein Interpretation wird nachgesagt, sie gleiche in ihrer
Wildheit und Brutalität einem „orchestralen Exorzismus", mitunter sehr
ungewöhnliche Worte in einem nun gar nicht einer (jugendlichen) Subkultur
untergeordneten musikalischen Kontext. War es dieser unorthodoxe Hintergrund es
Stücks, die revolutionäre Dominanz von Rhythmus und verwirrenden, chaotisch
anmutenden Taktwechseln und Thema-Überlagerungen (sprich der musikalische
Anspruch), der zur Bearbeitung animiert hat, oder hat der thematische
Hintergrund - der Todestanz eines jungen Mädchens vor der Opferung vor dem Gott
des Frühlings im Kreise alter Männer als heidnisches, vorzivilisatorisches Motiv
- enormen Reiz auf euch ausgeübt? Letzteres müßte doch auch Gesellen wie Menhir
ansprechen...
Die Motivation war eindeutig musikalischer Art. Seit vielen Jahren gehört dieses
Werk zu meinen absoluten Lieblingstücken. Zudem relativiert die Jahreszahl der
Uraufführung auch einiges an Ansichten über das musikalische Potenzial von
Metal-Bands, wirklich neue Extreme zu definieren, wobei wir uns natürlich
keineswegs ausnehmen. Die Umsetzung war dann aber eher ein Zufallsprodukt,
gespeist vom Drang nach Erkenntnis. Ich besorgte mir die Noten des Stückes, um
hinter das Geheimnis einiger harmonischer Finessen zu kommen. Dann startete ich
einige Probeaufnahmen, um dem metallischen Potenzial des Materials auf den Zahn
zu fühlen. Damals hatte ich dann wahrscheinlich einfach zuviel Zeit und habe so
in mehrwöchiger, nervenaufreibender Arbeit eine Gitarrenversion des Stückes
eingespielt. Belohnt wurde ich mit einer Vielzahl neuer Einsichten. Mein
harmonisches oder rhythmisches Verständnis haben sehr davon profitiert und
einiges davon hat natürlich nicht vor Golem halt gemacht. Somit war es nur
konsequent, diesem Werk einen Platz auf dem Album zu geben, auch wenn es nicht
wirklich ein Werk der Band ist. Leider konnte sich kein Schlagzeuger zu diesem
aberwitzigen Projekt überreden lassen, so dass es bei dieser Skizze geblieben
ist. Aber vielleicht wird es ja noch mal eine ähnlich Chance geben.
7.) Wann wurdet ihr das erste mal mit diesem Stück konfrontiert, hat jemand aus
der Band im Januar letzten Jahres der Aufführung der Berliner Symphoniker mit
einem Ensemble von hunderten Laientänzern (Kinder zwischen 7 und 20 Jahren)
beigewohnt? Wie viele versteckte Motive ähnlicher Komponisten oder aber auch von
Vertretern anderer Epochen ernster Musik gibt es im Golem Sound zu entdecken?
Obwohl ich mich schon seit Teenagertagen für zeitgenössische Musik
interessierte, war es doch damals ziemlich schwierig, als Unwissender Zugang zu
Material zu bekommen. In der Schule fragte ich dann einfach meine recht
aufgeschlossene Musiklehrerin nach entsprechenden Stücken. Es muss dann etwa
1990 gewesen sein, als sie mir eine LP mit dem Stravinski-Werk auf ein Tape
überspielte. Seither ist es ein ständiger musikalischer Begleiter für mich, voll
von Geheimnissen und immer noch für Neuentdeckungen zu haben. Einer echten
Aufführung habe ich bisher leider noch nicht beigewohnt. Es steht aber auf
meiner Konzertwunschliste und sicherlich werde ich das irgendwann nachholen. Ein
Einfluss dieser musikalischen Interessen auf Golem blieb natürlich nicht aus,
schon auf dem 2ten Demo konnte man Passagen von Friedrich Goldmanns Werken
lauschen, damals aber nur als kleine Intermezzi. „Le Sacre…“ im speziellen lief
dann als Intro/Outro auf unserem Debut-Album und auf „Dreamweaver“ sind für
Kenner mehrere Anleihen aus der klassischen Musik zu entdecken. Als Komponisten
seien hier vor allem James MacMillan, Maurice Ravel, Claude Debussy und
natürlich Igor Stravinski genannt. Zudem gibt es noch eine Auffrischung in
Sachen Movie-Score (Rose).
8.) Da Entombed schonmal mit einem Ballett aufgetreten sind, und auch die
Norweger Fleurety in kleinem Rahmen damit Experimentiert haben, ist der Gedanke
an eine Aufführung gar nicht so abwegig. Wo gerade skandinavische Bands zur
Sprache kommen, sehr absurd empfand ich den Vermerk zu Dir ein einem Artikel ,
in dem es hieß „Andreas Hilbert (Ex Fermenting Innards, Oxiplegatz). Wäre
wahrscheinlich ein Traum, mit Alf zusammenzuarbeiten, den bestimmt auch Volkmar
teilen würde, oder? Da der gute Mann als Coverartist auch die Reiter bedient
hatte, wäre er doch sicher auch an Stelle von Niklas Sundin interessant für euch
gewesen, oder? Ist Herr Weber auch dieses mal am Layout zur CD beteiligt? Und wo
wir gerade im zweiten Mond Booklet sind: was hatte es mit Ertis neuen Bremsen
auf sich?
Die Idee mit dem Ballet ist uns wirklich noch nicht gekommen. Ich denke auch
nicht, dass dies von größerem Interesse unsererseits begleitet würde. Die
musikalische Zusammenarbeit mit Alf wäre da schon eher meine Kragenweite;-) Mit
dem Artwork hatten wir diesmal aufgrund von allgemeinen Zeitproblemen recht
wenig zu tun, ich denke aber, dass alle Beteiligten (Gruß Miri) bestens
gearbeitet haben und wenn nicht, liegt der schwarze Peter diesmal wohl eindeutig
bei uns. Die Zusammenarbeit war tadellos und auch die gebrachten Vorschläge
passten einfach so gut, dass sich eigene Schritte schon erübrigten, bevor wir
sie überhaupt angedacht hatten. Somit hatte Volkmar im Vorfeld diesmal keinen
Stress mit uns, ich denke aber, dass ihn das nicht ins Unglück stürzen wird,
zumal er an dem Album selbst genug zu kauen haben wird ;-) Alf als Coverartist
wäre sicherlich auch eine nette Sache gewesen, aber die Firma war uns immer
schon zwei Schritte voraus, worüber wir aber alles andere als unglücklich sind.
Erti (Kommilitone von mir) und die neuen Bremsen bezogen sich übrigens auf meine
neuen Bremsen inklusive neuem Auto, mit dessen Vorgänger es zu einigen
Abenteuern gereicht hatte. Aber mittlerweile baue ich vollständig auf den ÖPNV.
9.) Um zum Titel des Albums vorzurücken: „Dreamweaver“ ist auch das zweite
Sabbat Album, das letzte mit Martin (später Skyclad) betitelt – eine Analogie
zum heidnischen Hintergrund von „Le Sacre...“ und auch ein Hinweis auf die
Thrash Wurzeln, die bereits der an Protector angelehnte Bandname in sich trägt.
Habt ihr diskutiert, vielleicht eine der unzähligen Interpretationen der Golem
Geschichte über das Lehmwesen aus Prag musikalisch zu inszenieren? Die
Verwandlung vom stummen Diener zum Wohle der (jüdischen) Bevölkerung als
nächtlicher Arbeiter und Schutzpatron, der sich emanzipiert und aus Sehnsucht
nach einem eigenen Ich und Willen zum Rächer und Zerstörer entwickelt, birgt
doch gerade für eine Metal Band unglaubliches Potential – zumal es viele
modernen Varianten gibt, die das moderne Computerzeitalter kritisieren und das
Mensch-Maschine Problem, die Furcht vor der Machtübernahme der „intelligenten“
Technik betreffen.
Die Sabbat-Parallele war uns natürlich bei Wahl des Albumtitels bewusst,
schließlich habe ich ja selbiges Album auf Tape bei mir herumzuliegen.
Allerdings passte der Titel viel zu gut zu unserem Album, als dass wir deshalb
auf ihn verzichtet hätten. Zu den Texten hatte ich ja schon einiges gesagt, so
dass die Sache ja offensichtlich erscheinen dürfte ;-) Ein Aufrollen der
Golem-Sage war bei uns jedenfalls noch nicht im Gespräch, aber bis zum nächsten
Album fließen sicherlich noch einige km3 Wasser die Spree entlang. „Und also
sprach Golem“ von Stanislav Lem wäre zudem auch noch eine interessante Variante
des Themas. Zur Zeit möchte ich mir darum jedoch noch keine Gedanken machen und
außerdem sollte man mit uns nicht allzu viel Wurzelinterpretation betreiben,
dafür sind wir einfach nicht konservativ genug ;-)
10.) Ein Gedankengang, der zum nächsten Sprung anregt: unter www. golem. de
(sich auf das Buch „Was nun Golem“ Von Stanislaw Lem beziehend) firmiert nicht
etwa eure Homepage, sondern die von Berlin (!) aus organisierte tagesaktuelle
Seite einer Publikation zu Themen wie Soft- und Hardware, Internet etc. Auf
einer deren Seiten wurde ein mir völlig nichtssagendes Thema aufgegriffen:
Dreamweaver Mx und Flash MX unter Linux Nutzern...
Tja, der Namen vielbeschworene Vielfalt scheint auch ein Auslaufmodell zu sein…
dekorative Wortschöpfungen und Namen sind da natürlich die vorrangigen Opfer der
schönen neuen Welt… Aber daraus machen wir uns nicht viel, denn wir sind schon
längst vom Glauben an den großen Zuse abhängig ;-)
11.) Und wer jetzt schon an eine Verschwörungstheorie glaubt bekommt noch
zusätzliche Nahrung, den unter der Golem/Hilbert Kreuzung in Suchmaschinen
erfährt man plötzlich von „Einstein-Hilbert action“ bzw. auch dem
„Einstein-Hilbert term“, offenbar eine mathematisch-physikalische Fragestellung.
Hast du dich mit Ahnenforschung beschäftigt oder versucht, solche merkwürdigen
Häufungen von völlig unterschiedlichen Vernetzungen deines Namens mit der
international zu den verschiedensten Zwecken verwendeten Metapher bzw. des
Namens/Begriffs Golem auseinanderzusetzen? Fast schon glaube ich an einen
Künstlernamen, so verwirrend ist die Summe der Querverbindungen.
Der von dir angeführte Mathematiker ist definitiv kein Verwandter von mir. Aber
zu tun habe ich mit ihm. Zumindest in der Uni, Stichwort Hilbert-Transformation
(Signalverarbeitung/Integraltransformationen). Sicherlich ist er auch für eine
Reihe anderer Schlauigkeiten bekannt, die mein Betätigungsfeld aber nicht
streifen und eine Biografie ist mir bisher auch nicht in die Hände gefallen. Es
kommt aber schon vor, dass mich Professoren auf ihn ansprechen.
12.) Schließlich gibt es Golem – die Zeitschrift für Magick, Gnosis und
Metaphysik., jeweils vierteljährlich zu den keltischen Jahresfesten erscheinend.
Bist du mit dieser Publikation vertraut? Bei einer offensichtlichen Faszination
für manchmal Archaisches, für das Widersprüchliche in und am Menschen und das
weite Feld des Irrationalen ist die Vermutung schließlich nicht zu abwegig...
Never heard of it… bin auch nicht allzu sammelwütig, wenn es um
Golem-spezifische Parallelen geht…
13.) Wahlweise existiert noch in New York ein Musikerverbund von Menschen, die
Melodien und Rhythmen des jüdischen Osteuropas mit modernen Einflüssen ihrer
Heimatstadt kombinieren, ebenfalls unter dem Namen Golem auftetend.
Faszinierend, wie sehr diese alte Geschichte völlig unterschiedlich
künstlerisch/wissenschaftlich/technisch veranlagte kreative Geister beflügeln
kann – hättest du dir diese Bandbreite jemals träumen lassen?
Doch das hätte ich… aber ich denke, dass wir es dadurch nicht schwerer haben
werden ;-)
14.) Was ich schon immer sehr lustig/befremdlich fand, war die Namensgebung vom
Klangschmiede E Studio, betrieben von ex Empyrium, nunmehr The Vision Bleak Kopf
Markus/ Theodor Schwadorff – dabei war die englische Variante schon etwas länger
besetzt, oder? Hast du Lust, generell zu Equipment, Auslastung und Philosophie
des Studios etwas mehr Informationen zu geben? Obwohl in einer Arbeit zum Thema
Tonstudios in/um Berlin von einem Deutschland-weitem/europäischen Radius zu
lesen war, scheint es vor allem so zu sein, das befreundete Bands und andere aus
dem weiter gefaßten Berliner Szeneumfeld bei dir/euch aufnehmen, was oftmals
schon für Golem auch neue Mitmusiker bescherte.
Das Soundforge betreibe ich zusammen mit Kai Mertens von Harmony Dies seit 1998,
wobei ich schon vorher im Buckower Blue Art Studio an den Reglern saß.
Startschuss war Harmony Dies’ „Don’t trust“ und auch „The 2nd Moon“ wurde in den
Anfangstagen dort gemischt. Mittlerweile ist schon eine beachtliche Anzahl von
Aufnahmen zusammengekommen, vorrangig Eigenproduktionen. Wir nehmen mittlerweile
komplett digital, mit nahezu unbeschränkter Spurenkapazität auf und haben auch
sonst alles am Start, was zu einer vernünftigen CD-Produktion benötigt wird. Die
bisherigen Aufnahmen sprechen zudem für unseren professionellen und vor allem
vielfältigen Sound. Bei vergleichbarem Einsatz brauchen sich unsere Sachen nicht
hinter Produktionen mehrfach teurerer Studios verstecken. Mittlerweile biete ich
auch ein komplettes CD-Mastering an, welches bei entsprechend fettem Sound sehr
günstig ausfällt und natürlich auch ohne Studioaufenthalt zu haben ist. Es ist
fast alles möglich, den entsprechenden Zeitaufwand natürlich vorausgesetzt. Bei
der heutigen Studiosituation ist wohl klar, dass uns hauptsächlich Leute aus der
näheren Umgebung buchen, wobei der gute Preis auch für ein Außenklo entschädigt.
Bisher hatten jedenfalls immer alle ihren Spaß, was auch geheime
Video-Dokumente, beispielsweise zu den Sinners Bleed – Aufnahmen, bestätigen.
Grundsätzlich sind wir an allem interessiert, was seine Basis halbwegs in der
Rockmusik hat, auch eine Ska-Band hat schon den Weg zu uns gefunden. Am liebsten
sind uns natürlich Bands aus dem Death/Black-Umfeld. Zudem gibt es sehr flexible
Arbeitszeiten und kostenlose Übernachtung. Die „Dreamweaver“-Produktion ist
übrigens komplett durch meine Hände gegangen und dürfte für sich sprechen, auch
wenn dieser eigenwillige Sound sicherlich nicht jedermanns Sache ist.
WERBUNG_WERBUNG ;-)
15.) Bist du noch in engem Kontakt mit den alten Mitstreitern, den Jungs aus dem
Fermenting Innards und As Darkness Falls Umfeld? Im Moment übertreffen sich in
den verschiedensten Foren gelangweilte Spinner mit Tiraden und Mutmaßungen über
den ehemaligen Commander, während ich von Rico Ende letzten Jahres einer der
unzähligen von ihm bei Ebay angebotenen Demo/Raritäten CD Bootlegs
(Dismember/Carnage) ersteigert hatte und nach anfänglichem e-mail Kontakt
plötzlich wochenlang gar nichts mehr hörte, bis ich unverhofft nicht etwas ein
Bootleg Original, sondern eine billig selbst kopierte CD-R im Briefkasten liegen
hatte – auch nicht gerade die feine englische Art. Dabei wollte er mir als
Schwedenfanatiker noch obskures Zeig von Nirvana 2002 und House Of Usher
überspielen. Ich hatte ihn sogar über dieses Interview informiert, welches sich
wegen der Release-Verzögerung verschoben hatte, aber bei uns intern schon längst
erobert war – Jan Fischer hatte zwar auch Interesse, meinte aber, wahrscheinlich
wäre es gut, wenn eine weniger miteinander vertraute Konstellation ins Rennen
geht.
Zu Rico und dem Rest habe ich heute keinen Kontakt mehr. Rico hatte sich damals
nach den Aufnahmen zum Golem-Debüt ziemlich schnell aus der ganzen Szene
ausgeklinkt und auch bald ein nicht mehr auszuhaltendes Maß an Unzuverlässigkeit
an den Tag gelegt. Mit anderen musikalischen Interessen bestückt werkelte er
zwar noch eine Weile im alten Umfeld an neuen Projekten, aber Fermenting Innards
waren damit wohl bereits schon gestorben. Ich nenne das mal einfach
„modebewusstes“ Verhalten, obwohl er wohl eher das Gegenteil behaupten würde.
Das auch seine rebellischen Black/Death-Metal-Zeiten und seine intolerablen
Anbiederungen an faschistoides Gedankengut Teil davon waren, erscheint mir heute
sogar noch plausibler als damals. Wir hatten dann einige Jahre später noch
einmal kurz Kontakt wegen eines Studiotermins seiner New-Metal-Formation, aber
dazu ist es dann doch nicht gekommen, ohne offizielle Absage natürlich, aber
darauf hatte ich mich innerlich schon vorbereitet. Nach einigem
Hinterhertelefonieren gab es dann auch eine Erklärung, aber seitdem habe ich
nichts mehr von ihm gehört. Den Commander durfte ich kürzlich bei
einem Gig der Apokalyptischen Reiter in ihrem neuen Leben
begrüßen. Es gab auch ein längeres Gespräch mit Erklärungsversuchen ihrerseits,
aber im Grunde bin ich über die ganzen alten Geschichten hinweg. Ein Großteil
seines damaligen Verhaltens wurde so zwar ein wenig verständlicher, aber es
bedeutet noch lange nicht, dass man es als verzeihlich einstufen sollte.
Jedenfalls kann ich ihr nur noch viel Glück wünschen, wenn man ihre derzeitigen
Lebensumstände betrachtet. Von den anderen habe ich eigentlich nichts mehr
gehört, bis auf Under Black Clouds Sänger und Golem-Starthilfe Greupner, der vor
ein paar Jahren unverhofft an meinem Geburtstag in Berlin auftauchte, um sich
dort die Körperwelten anzusehen. Er lebt wohl jetzt immer noch in Erfurt.
16.) Zwar gab es früher schon einen Schlenker zum Thema Cover, aber zwei Dinge
sollten festgehalten werden: Hühnerfüße sehen in ihrer ungeschönten
Skellet-Haftigkeit immer wieder unheimlich aus – und nach der Coverpleite des
Debuts nochmals zwei hübsche, weibliche (Zwillings-) Antlitze auf einem
Golem-Motiv vereint zu sehen zeugt weniger von Kontinuität, als vielmehr einem
selbstreflexivem Humor. (zum Glück ohne die Macken des Invasion üblichen
Standard Lay-Out Programms, welches so viele Motive verschandelt hat; haben die
das eigentlich selbst nicht gemerkt?). Schade finde ich nur das ewige Abschieben
des Logos – eigentlich einer der Stereotypen, die Klischees im Metal so
liebenswert machen.
Wie bereits gesagt, waren wir diesmal nicht wirklich um Gestaltungsfragen
besorgt. Der Covervorschlag war uns bereits ziemlich früh zugegangen und alsbald
einstimmig für gut befunden worden. Wären wir selbst auf die Jagd gegangen, wäre
vielleicht etwas völlig anderes dabei herausgekommen. Aber diese Helligkeit hat
uns dann wohl endgültig davon überzeugt, dass wir Wichtigeres zu tun hatten, als
uns um Layout-Fragen zu kümmern. Die Spiegelsymmetrie und die daraus folgende
Assoziation mit dem schrecklichen Debut-Cover ist uns dabei natürlich nicht
entgangen. Es wäre aber wirklich eine Übertreibung, darin ein Statement zu
sehen. In manchen Dingen sollte man uns auch nicht überschätzen. Das Logo sollte
definitiv auch nicht aufs Cover, aber eine überarbeitete Version hatte ich doch
noch mal rübergeschickt… wir sind jedenfalls nicht sonderlich traurig, dass es
nun wohl gänzlich fehlen wird, unsere Gelassenheit ist stärker denn je.
Do dark horses dream of nightmares?
No dreams breed in breathless sleep.
From dream to dream, we have always been, like an everflowing stream.
The fall, the wanderers, the tower, the...?
Björn Thorsten Jaschinski